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Wer trug den Gültlinger Goldhelm?

von Timo Roller

Vor mehr als 100 Jahren wurde in Gültlingen ein Goldhelm gefunden. Wem er gehörte, ist allerdings bis heute ungeklärt. Der pensionierte Hochschulprofessor Werner Nestle begab sich auf Spurensuche.

[erschienen im Schwarzwälder Boten am 3. März 2010; aktualisiert am 12.10.2012]

Beim einem Vortrag der Volkshhochschule zu heimatkundlichen Themen stand der alemannische Goldhelm im Blickpunkt, der 1901 in Gültlingen gefunden wurde und der heute im Württembergischen Landesmuseum in Stuttgart ausgestellt ist. Der aus Gültlingen stammende Prof. Dr. Werner Nestle stellte sich und den über 70 Besuchern die spannende Frage: »Wer trug den Gültlinger Goldhelm?«

Trotz umfangreicher Nachforschungen in der Literatur ist es dem pensionierten Hochschulprofessor, der in Hirschau bei Tübingen lebt, nicht gelungen, eine bestimmte historische Person zu identifizieren, die den Helm besessen haben könnte. Allerdings muss es sich um eine bedeutende Persönlichkeit gehandelt haben, nämlich um einen alemannischen Gaukönig oder Stammesfürsten, der zwischen 450 und 500 n.Chr. in Gültlingen begraben worden war. Über die Alemannen gibt es nur indirekte schriftliche Zeugnisse durch die Aufschriebe der mit ihnen verfeindeten Römer und daher wenige überlieferte Namen.

Nestle gab einen umfassenden Einblick in die Zeit der Römer und Alemannen in Gültlingen und Umgebung: Was heute von namhaften Historikern als »unscheinbares Dorf« bezeichnet wird, muss einst – zumindest im 5. Jahrhundert – ein bedeutendes politisches Zentrum gewesen sein. Schon unter den Römern, am Anfang des 3. Jahrhunderts, gab es auf der Breite einen römischen Gutshof, der 1910 entdeckt, aber anschließend überbaut wurde. Dieser könnte vergleichbar gewesen sein mit der in Hechingen-Stein als Freilichtmuseum hergerichteten »Villa Rustica«. Dieser Gebäudekomplex habe allerdings den Ansturm der Alemannen um etwa 250 vermutlich nicht überstanden. Ein römischer Weg ist aus Holzbronner Richtung durch die Abendgasse, Steingasse und schließlich die Steige hinauf Richtung Kapf nachweisbar.

Die beim Bau der Deckenpfronner Straße gefundenen alemannischen Gräber enthielten neben dem Goldhelm noch viele weitere wertvolle Grabbeigaben: Nestle zeigte einige Bilder von Schwertern, Schnallen sowie von goldenen und silbernen Zierbeschlägen und Schmuckstücken. Allerdings gab es auch einfachere Gräber, so dass auf eine Ansiedlung geschlossen werden könne, die alle sozialen Stellungen bis hin zur Führungsschicht umfasst habe.

Die Alemannen waren eine germanische Bevölkerungsgruppe, die ihren Namen von den Römern bekommen haben: Als »Alle (möglichen) Männer« bezeichneten deren Geschichtsschreiber ein Gemisch von Menschen unterschiedlicher Stämme, die aus Mitteldeutschland kommend gegen den Limes, den römischen Grenzwall, anstürmten. Um das Jahr 500 fielen die Alemannen unter die Hoheit der Franken, nachdem sie bei der »Schlacht von Zülpich« eine Niederlage gegen den fränkischen König Chlodwig erlitten hatten. Unter diesem Einfluss setzte die Christianisierung ein und schon im 7. Jahrhundert muss es in Gültlingen eine Holzkirche gegeben haben. Die Reste einer Nachfolge-Kirche aus dem 8. und 9. Jahrhundert sind an ihrem romanischen Baustil noch in der Sakristei der heutigen Kirche zu erkennen. Ob es eine historische Verbindung von den alemannischen Fürsten zu dem später – um 1100 – noch in Gültlingen ansässigen Hochadel gebe, darüber könne nur spekuliert werden, schloss Werner Nestle seinen Beitrag zur Heimatkunde.

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