MORIJA – Medien mit Substanz

Ein wichtiges Fenster in die Geschichte

von Timo Roller

Rotfelden im Saurierfieber! »Früher stand Rotfelden im Zeichen des Kamels, heute im Zeichen der Urzeit«, so sagte Ortsvorsteher Karl Lang in seiner Begrüßung zum Auftakt einer Vortragsveranstaltung über die getätigten Saurierfunde.

[erschienen im Schwarzwälder Boten am 28. April 2010; aktualisiert am 12.10.2012]

Tatsächlich haben die Funde, die in den 60er-Jahren im inzwischen stillgelegten Steinbruch Kössig gemacht wurden, in der Wissenschaft einige Bedeutung erlangt. Im Stuttgarter Naturkundemuseum Rosenstein sind Saurier aus Rotfelden ausgestellt, sogar die Fundstätte und die urzeitliche Lebenswelt Rotfeldens nachgebildet. Der Heimat- und Kulturverein Rotfelden, der zur Veranstaltung in die Gemeindehalle eingeladen hatte, plant inzwischen ein Heimatmuseum in der »Ziegelhütte« – in unmittelbarer Nachbarschaft zum Kamelhof –, in dem die Trias-Funde eine herausragende Rolle spielen sollen. Bürgermeister Volker Schuler aus Ebhausen gab bekannt, dass eine Machbarkeitsstudie durchgeführt wird und bis Ende 2010 konkrete Ergebnisse vorliegen sollen. Die Studie wird »ergebnisoffen« angegangen und für die Kosten von 35.000 Euro sowie für die spätere Umsetzung des Vorhabens verspricht man sich finanzielle Unterstützung vom Landkreis, vom Land Baden-Württemberg und der EU.

Dr. Rainer Schoch, Paläontologe am Naturkundemuseum, informierte in seinem Vortrag über die Einzigartigkeit der Rotfelder Trias-Funde und ihre Bedeutung für die Erforschung der Lebenswelt im Erdmittelalter. Die Trias-Zeit, die früheste Epoche des aus Trias, Jura und Kreide bestehenden Erdmittelalters, baut sich in Südwestdeutschland aus den Gesteinsschichten des Buntsandsteins, des Muschelkalks und des Keuper auf. Unmittelbar vor der Ablagerung des Buntsandsteins endete das Erdaltertum mit einem großen Massenaussterben an der sogenannten Perm-Trias-Grenze. Diese Krise hätten die Saurier genutzt, »um in ihrer Entwicklungsgeschichte zu einer neuen Größen- und Formenvielfalt zu kommen.« Fossilien im Buntsandstein sind äußerst selten und so bietet laut Dr. Schoch die Fundstätte in Rotfelden »ein wichtiges Fenster in die Erdgeschichte«. Die Gegend um Rotfelden war demnach in der Zeit des Buntsandsteins, die auf ein Alter von etwa 243 Millionen Jahren datiert wird, relativ flach und die Fundstätte muss an einem Fluss gelegen haben. Bärlapppflanzen der ausgestorbenen Gruppe »Pleuromeia«, die eine im Vergleich zu ihren heutigen Verwandten beachtliche Größe erreichten, bestimmten die Flora in Rotfelden. Wenige tausend Jahre später sei dann das Muschelkalkmeer über Rotfelden hereingebrochen, dessen Gesteinsschichten aber später wieder abgetragen wurden.

Der bekannteste Fund aus Rotfelden ist der Schädel des Panzerlurchs »Eocyclotosaurus«, der perfekt erhalten ist und eine Größe von etwa 30 Zentimetern hat. Der »Amotosaurus rotfeldensis« trägt seinen Fundort sogar im Namen und bildet eine eigene Tierart. 20 bis 25 Skelette dieser Giraffenhalsechse wurden in Rotfelden gefunden. Den ersten Nachweis einer davor nur aus Südamerika bekannten Schnabelechse gelang ebenfalls in Rotfelden. Dieser Fund ist wie der eines großen, bisher noch nicht exakt bestimmten Raubsauriers, erst vor wenigen Monaten in Fundstücken aus dem Steinbruch Kössig entdeckt worden: Im Keller des Naturkundemuseums, wo noch tausende von Saurierfunden aus vielen Orten auf ihre Präparation und Identifizierung warten. Durch die neuen Perspektiven, die ein Museumsprojekt bieten würde, hat sich Schoch die eingelagerten Funde aus Rotfelden vorgenommen und beispielsweise eine ganze Ansammlung von Skelettteilen gefunden, wo zuvor nur ein einzelner Knochen aus der Steinplatte zu Tage getreten war. Rainer Schoch ist daher überzeugt: »Eine neue Grabung würde sich mit Sicherheit sehr lohnen!«

Neben Knochen wurden im Rotfelder Gestein auch Fährten von Sauriern gefunden, diese passten zu einem bisher nur aus Amerika bekannten »Arizonasaurus«. Dies bedeute, so Schoch, dass die Landlebewesen sich auf dem damaligen Urkontinent zu Fuß ausbreiten konnten: Von Südamerika über Europa bis nach China.

Der Wissenschaftler gab auch noch wichtige allgemeine Information weiter: So seien die beliebten Dinosaurier nur eine Untergruppe der allgemeineren Bezeichnung »Saurier«, die umfassend alle urzeitlichen Reptilien beschreibt und neben Dinosauriern auch noch Fisch- und Flugsaurier umfasst. Und: »die Dinosaurier haben überlebt!« – die heutigen Vögel seien direkte Nachfahren einiger Dino-Arten und somit Überlebende des Massenaussterbens am Ende der Kreidezeit. Durch neue Funde in China wisse man inzwischen sogar, dass der berühmte Tyrannosaurus Rex ein Federkleid getragen habe – »Daran muss man sich erst gewöhnen«, so Dr. Schoch.

Für das Vorprogramm und die Dekoration der Veranstaltung sorgte die Rotfelder Grundschule: Die Kinder hatten zahlreiche Saurier gemalt und gebastelt, Dino-Lieder einstudiert und sich in den letzten Wochen ganz vom Saurier-Fieber des Heimatvereins anstecken lassen. So bedankte sich Karl Lang, dass die Kinder die Urzeit »besonders anschaulich und lebensnah in die Halle geholt haben.« Darüber hinaus gab es auch einige Rotfelder Fundstücke oder zumindest deren Replikate zu sehen sowie ein rekonstruiertes Skelett einer Schnabelechse aus Brasilien, die auch in Rotfelden nachgewiesen werden konnte.

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