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Ulrike Münster, Hebamme, Fünfbronn:
Geburt und Tod: Tore zum Leben
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»Wie stehen Sie zum Tod?« so fragte mich der Professor. Vor mir saß ein Komitee von etwa zehn Personen in weißen Kitteln und sah mich erwartungsvoll an. Ich hatte mich, so gut es ging, auf das Vorstellungsgespräch vorbereitet, aber mit dieser Frage überhaupt nicht gerechnet.
Schließlich wollte ich Hebamme werden. Ich wollte am Morgen des Lebens teilhaben und ich war zwanzig Jahre alt.
Aufgewachsen in einem christ-lichen Elternhaus, bin ich von Kind auf vertraut mit der Bibel, dem Gebet, der Gemeinde. Meine Konfirmation habe ich als bewusste Entscheidung für Jesus Christus erlebt. Mit großer Freude und Begeisterung war ich dann in verschiedenen Gruppen des CVJM aktiv. Durch die verschiedensten Veranstaltungen, Bibelgespräche und in der Gemeinschaft mit anderen Christen wurde ich entscheidend geprägt.
Dass mein Traumberuf nicht nur Freude und Glück mit sich bringen würde, wurde mir bereits während der Ausbildung recht schnell klar, und dies nicht nur im Hinblick auf die Pränataldiagnostik mit all ihren Folgen.
Heute arbeite ich mit großer Freude vor allem freiberuflich und betreue die Frauen mit ihren Neugeborenen zu Hause. Gerade in der Geburtshilfe liegen Freude und Schmerz ganz eng beieinander. Wenn dann gar noch Geburt und Tod zusammenkommen, zeigt sich die ganze Ohnmacht und Begrenztheit der Medizin. Herr über Leben und Tod sind nicht wir, auch wenn heute so vieles machbar und möglich scheint. Nein, der Tod fragt nicht danach, ob »es« gerade in meinen Lebensplan hineinpasst. Auf einmal steht er da und ich muss sehen, wie ich mit dem Unfassbaren zurechtkomme. Ich muss sehen, wie ich mit dem Schmerz und der Trauer umgehe - sei es als betreuende Hebamme während der Geburt und im Wochenbett oder als betroffene Mutter.
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»Es sind keine Herztöne mehr da« - plötzlich und unerwartet galt dieser Ausspruch des Arztes auf einmal mir, als ich mit unserem vierten Kind im siebten Monat schwanger war. Bis dahin hatte ich schon einige Frauen in ähnlichen Situationen betreut. Nun erlebten mein Mann und ich dasselbe: schwere Tage der Geburt, die unausweichliche Auseinandersetzung mit dem Tod, auch das Verarbeiten der Trauer mit den drei anderen Kindern. Ausgerechnet ein Lied, welches wir viele Jahre zuvor im Jugendchor gesungen hatten, kam mir während der Geburt, in aller Angst, Anspannung und Hilflosigkeit, wieder in den Sinn. Es hat mich begleitet und getröstet:
»Ich hab' dich je und je geliebt, darum zog ich dich zu mir.
Ich hab' dich je und je geliebt, komm, vertraue mir.«
Die Antwort, die ich damals dem Professor gegeben habe, wäre auch heute noch die gleiche: »Der Tod ist für mich kein Punkt, sondern ein Doppelpunkt - das Leben geht weiter und in Gottes Ewigkeit sind wir zu Hause. Geburt und Tod begrenzen das Leben hier, gehören zum Leben dazu.« Ich weiß, um dieses Kind brauche ich mir keine Sorgen mehr zu machen. Es ist in Gottes Händen gut aufgehoben. Es gibt Tage, da habe ich in diesem Wissen einen ganz tiefen Frieden, aber ich kenne auch die Tage, wo sich die Gedanken der Trauer nur im Kreis drehen.
Wir sind dankbar, dass wir eine Familie, einen Hauskreis und gute Freunde haben, die mit uns gehen, trösten und beten. Wie gut aber vor allem auch, dass wir um den wissen, der hält und trägt über den Tod hinaus: Jesus Christus.
Ulrike Münster
Fünfbronn
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